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CHRIS TALL: "Schönheit ist vor allem eine Frage der Persönlichkeit!"

Er ist der Shooting-Star der deutschen Comedy-Szene, dazu erfolgreicher Podcaster und Fernsehmoderator - so manche/r Künstler/in würde an dieser Stelle abheben und von seinem/ihrem Himmelsschloss auf das gemeine Volk herab schauen. Nicht so Chris Tall! Der sympathische Künstler ist nicht nur verdammt witzig, sondern setzt sich seit jeher für einen entspannten und fairen Umgang ALLER Menschen miteinander ein. Zwischen all seinen Aktivitäten und Verpflichtungen hat er sich die Zeit genommen, uns einfach mal einige Fragen zu seinem aktuellen Programm "Schönheit braucht Platz", seiner Einstellung zum Gendern und vielen weiteren Themen zu beantworten! Doch lest selbst:

Otti:
Zunächst mal als Einstieg: was war das Letzte, was Du gemacht hast, bevor Du Dich jetzt meinen Fragen widmest?

Chris:
Ich befinde mich gerade auf Tour in der Schweiz im Rahmen des dortigen Comedy Festivals. Vom Hotel aus geht es nun gleich auf die Bühne!

Chris Tall
Foto Credit: Robert Maschke

Otti:
Nehmen wir mal an, es liest tatsächlich jemand dieses Interview, der/die noch nie von Dir gehört hat. Beschreib doch mal in wenigen Sätzen, wer Chris Tall ist, und warum man sich mit ihm befassen sollte?

Chris:
Kristall, Digga, Hamburg! Und wenn jemand gerne lacht, dann hoffe ich, dass ich dazu etwas beitragen kann.

Otti:
Aktuell bist Du mit Deinem neuen Programm unterwegs. Vergangene Programme drehten sich nicht zuletzt um Deine Eltern - ohne zuviel zu spoilern, was sind die Kernthemen, die Du in "Schönheit braucht Platz" verarbeitest?

Chris:
Jede Show ist anders, da ich auch viel improvisiere. Aber Vom Cluburlaub zum Mocktailabend, vom FIFA Zocken zu Babyparties, vom Binge-Watching zum Haustierkauf und einem Vorsorge-Termin beim Arzt ist alles dabei. Am Schluss wird es auch ein wenig emotional und ernst.

Otti:
Und im Umkehrschluss: Welche Art von Gags sollten BesucherInnen auf gar keinen Fall im aktuellen Programm erwarten?

Chris:
Sagen wir mal so: Ich bin kein politischer Kabarettist. Das können andere doch deutlich besser.

Otti:
Wenn ich Google nach Dir befrage, bekomme ich unter anderem die Frage vorgeschlagen: "Wie lange dauert Chris Tall Schönheit braucht Platz?" Jetzt mal Butter bei die Fische: Was ist die korrekte Antwort darauf?

Chris:
Haha, die gibt es nicht. Wie oben erwähnt: Jede Show ist anders.

Otti:
Du interagierst ja in der Regel viel mit Deinem Publikum und einige Gespräche mit ZuschauerInnen aus der Vergangenheit sind nahezu legendär. Was war im Rahmen der jüngsten Shows ein besonders berührernder und/oder lustiger Moment des Dialogs?

Chris:
Ich hatte kürzlich einen Zuschauer im Publikum mit einem Tourette-Syndrom. Nicht nur, dass er unfassbar selbstironisch und komisch war: Ich holte ihn auf der Bühne und er hat den ganzen Saal gerockt.

Otti:
Die Menschen da draußen sollten Deine aktuelle Show auf gar keinen Fall verpassen weil...?

Chris:
...meine Fans die besten der Welt sind und mit Humor alles ein wenig leichter fällt!

Otti:
Gute Comedy lebt nicht zuletzt vom Timing des/der KünstlerIn, was in meinen Augen eine Deiner großen Stärken ist. Wenn jüngere KollegInnen diesbezüglich noch unsicher sind und Rat bei Dir suchen, was gibst Du ihnen mit auf den Weg?

Chris:
Auftreten, auftreten, aufreten.

Otti:
Ich habe gerade als "alter weißer Mann" fröhlich vor mich hin gegendert. Als "nicht ganz so alter, weißer Mann" und Künstler, der mit Sprache arbeitet - inwieweit achtest Du darauf bei Deinen Shows? Und hat sich das im Laufe der Jahre, mit zunehmenden Debatten zum Thema, geändert?

Chris:
Erst einmal versuche ich, über mich selbst Gags zu machen. Das ist nach meiner Meinung die Basis eines jeden Komikers / einer jeder Komikerin. Wenn man gar nicht über sich selbst lachen kann, passiert es schnell, dass man mit dem Finger auf andere zeigt. Und damit geht die Augenhöhe verloren. Aber in der Tat ändern sich Zeiten und wenn es um das Spiel mit der "political correctness" geht, dann führt einen Komiker / eine Komikerin das während der Show mehrfach zu einer Reihe von Themenfeldern. Hier sollten die Gags dann jeweils eine ganz klare Einordnung erfahren. Somit versuche auch ich, immer wieder meine Sprüche zu überdenken und in den richtigen Kontext zu stellen.

Otti:
Dein Humor dreht sich oft auch um die besonderen Eigenheiten der einzelnen Menschen und einen coolen, augenzwinkernden Umgang damit. Welche Bedeutung haben die Begriffe "Andersartigkeit" und "Individualität" für Dich?

Chris:
Ich weiß, es ist ein naiver Wunsch: Aber wir wären angekommen, wenn Wörter wie "Andersartigkeit" oder "Minderheit" gar keine Bedeutung mehr hätten, bzw. nicht negativ besetzt wären. Für viele besteht Comedy daraus, besonders politisch inkorrektheit zu sein; andere sagen mir, Comedy ist nur lustig, wenn sie integrativ ist. Ich tanze auf genau diesem Gegensatz und frage beispielsweise: fängt das Unheil nicht schon mit dem Wort "Randgruppe" an? Oder "Minderheit?" Wer bestimmt denn, wer außerhalb des Randes ist? Die Guten? Die Anderen? Die "Mehrheit"? So kommen wir nicht weiter! Ich handele: Bei mir wird gemeinsam gelacht, mit ALLEN im Publikum. Keine Show ist wie die Nächste, und die ist deshalb auch nur diesen Abend gültig! Es ist mein Versuch, sich für faires Miteinander stark zu machen. Das mag verwundern, aber Comedy ist auch zum Wundern da.

Grundsätzlich gibt es meiner Meinung nach aber auch keine eindeutige Humor-Grenze. Jede(r) Comedy-Künstler*in legt ja den eigenen Geschmacks-Kosmos fest. Das macht sie oder ihn unverwechselbar. Doch nach wie vor gilt: Sehen wir die Dinge bitte im Zusammenhang, springen wir den Schwächeren zur Seite, und hören wir auf, Unterschiede zwischen Menschen zu machen!

Individualität ist wiederum ein hohes Gut, das wir in Deutschland ausleben dürfen. Dafür können wir sehr dankbar sein. Deswegen auch mein Titel: "Schönheit braucht Platz". Am Ende geht es darum, dass Schönheit vor allem eine Frage der Persönlichkeit ist, nicht von Äußerlichkeiten.

Otti:
Neben Deinen Bühnenshows hast Du Dich längst als Moderator etabliert - aktuell zum Beispiel bei der RTL-Sendung Murmelmania, die durchaus erfolgreich zu sein scheint. Was meinst Du ist das Geheimnis, warum Menschen sich mit Begeisterung Kugeln beim Rollen anschauen?

Chris:
Man wird einfach wieder zum Kind und das ist herrlich! Meine prominenten Kandidat*innen und ich stehen in einem riesigen Studio zwischen überdimensionalen Murmelbahnen und veranstalten diese spannende Murmel-Wettrennen. Die Liebe zum Detail bei eben diesen Murmelbahnen ist wirklich etwas Besonderes. Und alles ist möglich! Da schießt zum Beispiel ein Katapult die Murmel, die zuerst hinten lag, plötzlich ganz nach vorne! Einfach ein großer, großer Spaß. Es ist so schön zu sehen, wie sich auch ältere Herrschaften herrlich über einen Sieg freuen oder sich wegen eines verkorksten Murmelwurfs in den A**** beißen.

Otti:
Wie unterscheidet sich Deine mentale Vorbereitung auf eine Fernsehaufzeichnung mit Dir als Moderator, verglichen zu einer Bühnenshow?

Chris:
Die Bühne ist mein zu Hause, hier unterliege ich weniger Einflüssen von außen und kann mich rein auf mein Publikum einlassen. Bei einer TV-Show musst Du natürlich Regeln befolgen, Wünsche von Redaktionen und Sendern berücksichtigen und Dich an strikte Zeiten halten. Das fällt mir nicht immer leicht (lacht).

Otti:
Du bist - soweit ich das überblicken kann - auch ein regelmäßiger Podcaster. Da ich selbst so gut wie nie Podcasts höre, meine Videointerviews aber mittlerweile wohl auch teilweise als solche genutzt werden: Was macht für Dich den Reiz und das Pänomen "Podcast" aus?

Chris:
Der Podcast 08/17 mit meinem Freund und Kollegen Özcan Cosar macht einfach so viel Spaß, weil wir reden dürfen, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Und je nachdem, welche Beziehung Du mit Deinem Gegenüber hast, ändern sich die Themen. So gibt es z.B. beim Podcast Brüderherz mit meinem Bruder Martin vor allem in den ersten beiden Folgen deutlich ernstere Töne zu hören.

Otti:
Für diesbezüglich unbedarfte Menschen wie mich: Welche/n Podcast/s machst Du aktuell, und was erwartet uns da?

Chris:
Wir veröffentlichen wöchentlich 08/17 mit Özcan Cosar - hier geht es wirklich um Gott und die Welt. Dazu gibt es aktuell 7 Folgen Brüderherz auf RTL + Musik. Hier erzählen mein Bruder Martin und ich, wie wir überhaupt zu Brüdern wurden und wie uns die Comedy "gerettet" hat.

Otti:
Zwischen Bühne, Podcasts und Fernsehshows wird Freizeit sicherlich ein knappes Gut sein, nicht wahr? Was tust Du, um Dich von all dem, was Du gerade erleben darfst, nicht überrollen zu lassen?

Chris:
Meine Familie und Freunde sind sehr wichtig und geben mir Stabilität. Und ich golfe gerne.

Otti:
Wenn Du nun auf Deine bisherige Karriere zurück blickst: Was war die beste Entscheidung, die Du getroffen hast? Und welche Auswirkungen hatte selbige?

Chris:
Meine beste Entscheidung war, meinen festen Job aufzugeben und überhaupt mit Comedy anzufangen.
Ein Schlüsselmoment war aber sicherlich auch mein letzter Auftritt bei TV total von Stefan Raab. Meine Agentur und ich haben so lange an ihm rum genervt, bis ich nochmals in eine seiner letzten Shows auftreten durfte. Danach wurde ich einem größeren Publikum bekannt.

Otti:
Um die Welt auch mit diesem Interview ein klein wenig besser zu machen: Welche Charity/gemeinnützige Vereinigung/Hilfsorganisation liegt Dir gerade besonders am Herzen? Und in welcher Form wird hier Gutes bewirkt?

Chris:
Die Chris Tall School in Nepal mit der Organisation Magic Moments. http://www.magicmoments.ch target=blank>www.magicmoments.ch
Wir ermöglichen Kindern eine Schulausbildung, die sonst kaum eine Chance hätten.

Otti:
Und zum Abschluss kehren wir nochmal zur Comedy zurück: Was war der schlechteste Witz, den Du je gehört hast?

Chris:
"Mein Name ist Chris Tall. Und ich habe eine Schwester. Chan."

Art des Interviews: Email
03/15/23 by Otti
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