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Interview (Musik)Blättern: Vorheriger Artikel | Nächster Artikel

EDEN WEINT IM GRAB: Mörderische Geschichten und ironische Brüche

Wenn Eden weint im Grab neues Material veröffentlichen, kann man sich auf Qualität gefasst machen. Diese These hat sich mit der brandneuen LP Tragikomödien aus dem Mordarchiv einmal mehr bestätigt. Thematisch haben sich die Berliner vom Jenseits ins Diesseits bewegt, und auch sonst hat sich seit unserem letzten Interview einiges bei der Band getan. Was liegt da näher, als mit Frontmann und Mastermind Alexander Paul Blake über EwiG im Jahre 2019 zu reden? Also haben wir ihm einige Fragen via Mail geschickt, die er gewohnt ausführlich und spannend beantwortet hat.

Otti:
Dem regelmäßigen Nightshade-Leser müssen wir Euch sicherlich nicht mehr vorstellen, aber ein Update schadet nie: Wo stehen Eden weint im Grab derzeit, und was habt Ihr - neben den Arbeiten am neuen Album natürlich - in letzter Zeit so getrieben?

Alexander:
Wir stehen nun beim achten Album und sind happy, dass dieses jetzt auch endlich erhältlich ist und unsere Hörer daran teilhaben können. Es war ein langer Weg dorthin, auch wenn es offiziell nur etwa zwei Jahre waren. Aber speziell für mich hängt an solch einem Album immer sehr viel Arbeit, da wir ja in vielerlei Hinsicht eine DIY-Band sind, die fast alles selbst macht. Vom Songwriting über Aufnahmen, Produktion und Mix hin zu Artwork, dem Video, der ganzen Tour-Orga und nicht zu vergessen dem Winter Solitude Shop liegt das alles in meinen Händen - und im Grunde alles abends und am Wochenende, da EwiG zwar ein wichtiger Lebensinhalt, aber für niemanden von uns eine Einnahmequelle ist. Doch es bleibt gerade kaum Zeit durchzuschnaufen, denn es stehen schon die Tourvorbereitungen an und "nebenbei" arbeiten wir gerade auch noch am zweiten Album meiner anderen Band The Halo Trees.

Eden weint im Grab
pic by Amber Laguz

Otti:
Das neue Album ist jetzt frisch erhältlich und hört auf den schaurig-schönen Namen Tragikomödien aus dem Mordarchiv. Was konkret ist die Idee dahinter, und wie ist diese entstanden?

Alexander:
Ich muss sagen, dass mir das Songwriting selten so leicht von der Hand ging. Die Songs wurden innerhalb eines recht kurzen Zeitraums geschrieben. Was länger gedauert hat, waren wieder die Recordings, da dies auch viel damit zu tun hat, wann die Kollegen mal Zeit haben und dann eher einem Puzzle gleicht, bis alle Recordings für alle Songs eines Albums zusammen sind. Die Idee war, ein Konzeptalbum zum Thema Mord zu machen. Wir mögen es ja, Konzeptalben zu schreiben und ich hatte das Gefühl, dass die Themen Jenseits, Spuk und Geister ausgereizt waren. Rund um Mord und Gräueltaten lässt sich doch sicher prima eine EwiGe Welt kreieren, dachte ich mir. Das haben wir getan. Ich glaube, es passt auch ganz gut zur Band und der Schritt vom Jenseits ins Diesseits wirkt am Ende gar nicht so groß."

Otti:
Ein Konzeptalbum wie Tragikomödien aus dem Mordarchiv braucht ja meist einiges an Vorbereitung und Recherche. Wie bist Du das in diesem Falle angegangen?

Alexander:
Ach naja, ich habe mir da keinen Stress gemacht, sondern mit dem gearbeitet, was ich zur Hand hatte oder schon kannte. Vieles sind ja auch eigene Geschichten. Ich wollte keinen kleinlichen Historienunterricht machen, sondern eine in sich stimmige Welt erschaffen und da sind die Musik, die Arrangements und die Performance ja nicht minder wichtig wie die Texte.

Otti:
Wenn man sich ein ganzes Album lang mit dem Thema "Mord" beschäftigt, kann einem das doch sicher sehr nahe gehen. Welche Geschichten/Songs haben Dich denn besonders emotional berührt, während Ihr sie vertont habt?

Alexander:
Ja, aber ich glaube am intensivsten ist es beim Schreiben der Texte. Später durchlebt man die Fälle ja nicht bei jedem Hören - und wir haben die Songs sehr oft gehört während der Produktion. Am meisten hat mich eine sehr aktuelle Geschichte aufgewühlt, weshalb sie auch ihren Platz auf dem Album gefunden hat, obwohl wir mit EwiG sonst meist eher in einer historisch geprägten Welt agieren. Ich meine den Hintergrund des Songs Menschenfeuer, der auf dem Fall des Anwalts David Buckel beruht, der sich 2018 in einem New Yorker Park verbrannt hat, um gegen die Ausbeutung des Planeten zu protestieren. Leider ist sein Fall nur eine Randnotiz in den Medien geblieben, die nach ein, zwei Tagen schon wieder vergessen war. Ebenfalls sehr erschütternd finde ich, mit welcher Selbstverständlichkeit wir alle jeden Tag die Gräuel des Krieges in diversen Teilen der Welt hinnehmen, denn jeder Krieg ist doch im Grunde ein Massenmord. Daher der relativ deutliche, fast schon politische Song Soundtrack für den Massenmord, der dieses Sujet aufgreift.

Otti:
Und gab es auch Ideen oder gar Songs, die es nicht aufs Album geschafft haben? Wenn ja, was waren hierfür die Gründe?

Alexander:
Ich glaube, es gab noch zwei, drei Stücke, die schon während des Komponierens wieder verworfen wurden. Meistens fließt die kreative Energie gut, aber manchmal kommt auch einfach nichts Vernünftiges heraus. Und dann gibt es noch die drei Bonussongs Der achte Ozean, Der Werwolf von der Bresse und Die Samttöterin, die ich persönlich schwächer als die Albumtracks fand. Ich wollte nach dem sehr ausladenden Na(c)htodreise ein kompakteres Album machen und eigentlich nicht wieder 14 Tracks veröffentlichen, sondern es auf zehn, elf wirklich starke Stücke beschränken. Aber nachdem die drei Stücke am Ende doch ganz gut klangen und einige meiner Mitstreiter in der Band meinten, es wäre schade, wenn diese unveröffentlicht blieben, haben wir sie als Bonus-Tracks mit auf die CD gepackt, um diese im Vergleich zum Digital-Release noch etwas aufzuwerten.

Otti:
So ernst das Thema und Konzept auch ist, wieviel (schwarzen) Humor habt Ihr bei der Arbeit an Tragikomödien aus dem Mordarchiv eingebracht, und welche Momente im Proberaum oder Studio waren besonders lustig?

Alexander:
Wieviel? Nun, das liegt im Auge des Betrachters. Ich denke, es gibt immer wieder einige kleine ironische Brüche, die dafür sorgen, dass man sich als Hörer nicht zu tief verstrickt, sondern das Album mit einem Augenzwinkern betrachten kann. Denn so finster dieses Thema auch ist, ich könnte solch ein Album nicht ohne einen gewissen kritischen Abstand und einen gewissen Humor machen. Sonst wird es für mich selbst auch zu ernst und böse. Wo genau diese Stellen sind, mag jeder für sich herausfinden. Es gibt bei uns immer wieder lustige Momente im Proberaum oder Studio, aber das ist Situationskomik und lässt sich unmöglich später schriftlich wiedergeben, zumal ich nicht unbedingt ein guter Anekdotenerzähler bin.

Otti:
Eine Kunst, die Ihr wirklich beherrscht, ist es, Musik und Text so in Einklang zu bringen, dass eine perfekt zum Inhalt passende Stimmung erzeugt wird. Wie geht ihr das genau an, und wo liegen die größten Schwierigkeiten in Eurem speziellen Songwriting?

Alexander:
Ich habe meist die Texte zuerst und versuche dann, das passende musikalische Gegenstück zu kreieren. Es kommt aber auch mal vor, dass es umgekehrt ist. Grundsätzlich läuft das meist sehr intuitiv ab und ich kann das selbst nicht erklären. Ich glaube, ich habe einfach das entsprechende Gefühl dafür. Woher auch immer. Ich möchte das auch nicht entzaubern, indem ich zu sehr ins technische Detail gehe. Am Ende steht die Musik für sich und sie spricht auch für sich. Wie wir dorthin kommen, ist nicht wichtig. Aber ich habe gemerkt, dass die besten Songs meist innerhalb von kürzester Zeit entstehen. Teils weiß ich schon nach einer halben bis ganzen Stunde im Songwriting, "dieser Song wird es aufs Album schaffen". Auch wenn es da erst eine grobe Skizze ist und das Bild quasi noch nicht ausgemalt ist. Und diese Spontaneität ist mir auch sehr wichtig. Vieles bleibt aus diesen ersten Momenten bis zum fertigen Album erhalten, auch wenn es teils nicht perfekt ist und kleine Fehler enthält. Unser Gitarrist Dr. Eckstein hat jüngst für die Live-Vorbereitung die ganzen Recordings haarklein seziert und für alle aus der Band transkribiert, weil wir am Ende oft nicht mehr wissen, was wir bei den Aufnahmen gespielt haben. Dabei hat er mir auch einige Fehler nachgewiesen. Aber weißt du, solange man sie im Mix nicht hört, ist mir das egal. Mir ist es wichtiger, den Zauber des Moments einzufangen und mit zu viel Perfektionismus kann man diesen später auch leicht mal kaputt machen. Deswegen bleibt manches aus den frühen Demos dann einfach unangetastet bis zum Mix.

Otti:
Ich mag mich täuschen, aber subjektiv wirkt Tragikomödien aus dem Mordarchiv wütender und aggressiver als vergangene EwiG-Veröffentlichungen - besonders Lazarus und die Tücken der Einsamkeit und Der Mörder im Mond gehen extrem "nach vorne" und dürften auf Konzerten für einige Bewegung sorgen. Inwieweit beeinflussen solche Überlegungen Dich in Deinen Komposition?

Alexander:
Ich hatte schon die Absicht, ein härteres Album zu machen und nicht so viel ruhigere Passagen wie z.B. auf Na(c)htodreise dazwischen zu haben. Daher sind die meisten Songs recht zackig. Ich finde, diese etwas härtere, moderne Ausrichtung steht EwiG sehr gut zu Gesicht und ich kann mir gut vorstellen, auch in Zukunft mehr in die Richtung zu machen. Mit den Live-Shows hat das erstmal wenig zu tun, weil ich Alben als Selbstzweck sehe. Aber wenn es dann live auch gut funktioniert, umso besser.

Otti:
Mord gilt zu Recht als eines der abscheulichsten die man einander antun kann, aber gerade erst habe ich zum Beispiel von drei russischen Schwestern gelesen, die ihren Vater getötet haben, nachdem dieser sie mehrfach missbraucht hat. Sie sollen des Mordes angeklagt werden. Wie ist Dein Blick auf solche Fälle, in denen unsere Moralvorstellung an ihre Grenzen stößt?

Alexander:
Es ist ja oft so im Leben, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt. Auch auf unserem Album gibt es einige Täter, die selbst Opfer sind und ihre eigenen Traumata durch ihre Taten kompensieren. Ich kann keine immer gültigen Antworten auf solche Fragen geben. Mir ist nur wichtig, dass unsere Musik auch eine kritische Betrachtung ermöglicht und unsere Hörer ebenfalls Fragen stellen.

Otti:
Ich weiß, dass zumindest einige Bandmitglieder sehr an politischen und gesellschaftlichen Themen interessiert sind, ihr erhebt aber in euren Texten nie den Zeigefinger, sondern stellt Dinge metaphorisch dar und erzählt Geschichten, wobei man auch darin (wie z.B. in Menschenfeuer) einige Gesellschaftskritik hinein interpretieren kann. Wieviel Raum gibst Du Euren Ansichten in der Lyrik von Eden weint im Grab?

Alexander:
Grundsätzliche denke ich, ist unsere Musik nicht biografisch. Alexander Paul Blake ist ja ebenso wie die anderen fünf Charaktere eine Kunstfigur und nicht unbedingt mit mir als Privatmensch gleichzusetzen. Aber ich fand es wichtig, gerade bei einem heiklen Thema wie Mord auch mal Stellung zu beziehen, um gar nicht erst den Gedanken aufkommen zu lassen, dass wir Mord und Gewalt glorifizieren oder gutheißen. Gleichzeitig macht man solch eine EwiGe Welt aber auch schnell kaputt, wenn man permanent mit dem erhobenen Zeigefinger rumwedelt. Das nervt ja schnell. Ein Krimi muss ja auch nicht ständig die Tat des Mörders bewerten. Daher sind vor allem die beiden Songs Menschenfeuer und Soundtrack für den Massenmord klare Statements und beim Rest haben wir es bei einigen ironischen Brüchen belassen.

Eden weint im Grab
"Mir ist nur wichtig, dass unsere Musik auch eine kritische Betrachtung ermöglicht und unsere Hörer ebenfalls Fragen stellen."

Otti:
Anfang Januar geht es dann auf Tour, wobei Ihr die meiste Zeit mit Wisborg unterwegs seid, die für mich eine der positiven Entdeckungen der jüngeren Zeit sind. Wie hat sich denn diese Konstellation ergeben?

Alexander:
Wir sind nicht nur die meiste Zeit mit Wisborg unterwegs, sondern die ganze Tour über (lacht). Wir haben letztes oder vorletztes Jahr zusammen in Hannover gespielt und waren seitdem mehr oder weniger in Kontakt. Daraus hat sich das dann ganz natürlich ergeben. Eine coole Band, finde ich, wenn auch musikalisch etwas anders als wir. Aber ich denke, dass das solch einen Konzertabend umso kurzweiliger macht.

Otti:
Mit einem Lächeln habe ich übrigens gerade festgestellt, dass unser allererstes, gemeinsames Interview fast genau zehn Jahre zurück liegt. Was sind denn die markantesten Änderungen, positiv wie negativ, welche die Welt seitdem in Deinen Augen durchlaufen hat?

Alexander:
So lange schon. Na Mensch (lacht). In kreativer Hinsicht haben wir seitdem auf jeden Fall viele schöne Sachen veröffentlicht und das macht mich durchaus stolz - zumindest in solchen Momenten, in denen ich mir klar mache, wie groß unser EwiGes Gesamtwerk schon ist. Immerhin ist Tragikomödien aus dem Mordarchiv bereits unser achtes Album. Das hätte ich mir 2004, als ich das Ganze als Projekt gestartet habe, auch nicht träumen lassen.

Otti:
Und auch wenn das sicher nicht die innovativste Frage ist, an dieser Stelle passt sie einfach: Was sind Eure Wünsche und Ziele für die nächsten zehn Jahre?

Alexander:
Ach naja, ich glaube, da sind unsere Wünsche auch nicht origineller als die anderer Menschen. In erster Linie gesund und zufrieden bleiben und dann natürlich weiterhin viel kreative Energie und wenn ein paar Leute unsere Musik hören wollen und wir Schritt für Schritt weiter wachsen können, wäre das auch nicht so schlecht. Mir persönlich ist es auch wichtig, meine anderen Bands/Projekte The Halo Trees und Lighthouse In Darkness ebenfalls noch bei einer größeren Hörerschaft etablieren zu können. Schauen wir mal, ob wir uns in zehn Jahren wieder lesen...

edenweintimgrab.de

Art des Interviews: Email
12/09/19 by Otti
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