Ich bin ja immer begeistert davon, wenn sich Bands Mühe geben mit ihrer
Namensgebung und auch bei Albentiteln kreativ werden und mal was ganz
Anderes raushauen. So ist es auch bei der guten deutschen Hausmannskost
von Annisokay. Die Post-Hardcore Band aus Halle gibt nämlich
die Antwort auf Michael Jackson´s Frage "Annie, are you okay?".
Yes, Ann is okay! Boom, da fällt es den Fans der Truppe wie Schuppen
von den Augen. Für den Albumtitel muss ich dann ein bisschen ausholen,
aber es lohnt sich! Mr. Jackson hat sich nämlich seinerzeits seine Inspiration
von seinen Erlebnisse aus seinem Erste-Hilfe-Kurs geholt, denn die Wiederbelebungs-
Puppe trägt schon seit Jahren den Namen "Annie". Das Gesicht dieser
Puppe ist laut einer Sage im 19. Jahrhundert entstanden, als ein Mädchen
ohne äußere Verletzungen aus dem Wasser gezogen wurde, folglich hat das
arme Ding wahrscheinlich Suizid begangen. Das Besondere an ihr war ihr
friedvolles und mysteriöses Lächeln, welches danach nie wieder an
einer Wasserleiche gefunden wurde, andere waren aufgedunsen und von
Schmerz entstellt, während Annie´s Enigmatic Smile für die
Inspiration von vielen Künstlern sorgte und auch das Gesicht der Puppe
darstellt. So haben Annisokay hier den Bogen geschafft und ihr
Album genau so benannt. Nach so viel Story drumherum erwartet man
natürlich jetzt auch ein Knalleralbum und ich kann verraten, dass man
hier nicht enttäuscht wird.
Bereits der Opener Carry Me Away haut melodisch krachig ordentlich
rein, mit einer anständigen Mischung an Shouts und Vocals, unterstützt
von hämmernder Instrumentalisierung. Abwechslungsreichtum wird auf dem
gesamten Album groß geschrieben und so wundert es auch kaum, dass der
folgende Naked City noch eine Nummer brachialer um die Ecke schielt
um dann bei Snowblind wieder herunterzufahren. Jeder Kreischer
sitzt an der richtigen Stelle um dann vom fast schreienden Gesang
wunderschön untermalt zu werden. Die Gitarren dudeln mit dem Rhythmus-Duo von
Bass und Schlagzeug um die Wette und lassen kaum einen Moment zum
Durchatmen. So beginnt Enigmatic Smile ziemlich eindrucksvoll
mit einem Druck hinter den Songs, die einem fast den Gehörgang
wegbomben. Jeder einzelne Track erzählt seine eigene traurige und
emotionale Geschichte ohne unnötig kitschig zu werden. Dazu tragen
natürlich auch die gut gesetzten Breakdowns bei, die bei einem Post-
Hardcore Album zwar übermäßig verwendet werden, dabei aber nicht langweilig
werden und an einigen Stellen sogar ziemlich überraschen, wie zum Beispiel
beim abwechslungsreichen Panic Attack. Um noch ein paar weitere
Überraschungen aufzufahren, werden elektonische Samples mit kräftigem
Geshoute gemischt wie bei den Intros zu Wolves In The Walls oder
Fragile Line.
Eigentlich bin ich kein großer Fan von zuviel Schreierei aber die Band
hat es geschafft so einen cooles Sound zu kreieren, dass man einfach
mitwippen muss und der ein oder andere Song noch eine Extrarunde im
Player drehen darf.
Doch nicht nur der Gesang darf Schreien, auch die Gitarren erheben sich
immer wieder kreischend aus dem Hintergrund und tauchen den Zuhörer in
eine harte Welt aus Metall und Rock, die immer wieder zum Mittanzen und
Mitsingen auf die Tanzfläche ziehen. Allerdings sind nicht alle Tracks
sofort zugängig, so muss man sich auf den ein oder anderen Titel erst
einmal einlassen anstatt sofort wegzuschalten. So kommt man zum Beispiel
bei dem bereits erwähnten Fragile Line zwar zunächst in Schwung,
den richtigen Kick gibt es dann aber erst zur Mitte hin mit einem
Breakdown der Extraklasse, der kein Auge trocken lässt. Vor Allem nicht,
wenn das altbekannte Teabaggen und Moshpitten angesagt ist, in das man
einfach einsteigen muss. Mein absoluter Lieblingstrack auf Enigmatic
Smile ist der recht sphärisch angehauchte Traveler der zwar
sofort in die Vollen geht, aber durch die perfekt in Szene gesetzten
Vocals so cool und rhythmisch daherkommt, dass der Kopf automatisch
mitwippen muss. Wen man was für hohen männlichen Gesang übrig hat, dann
muss man sich in das Album einfach verlieben, dass aber nicht zu sehr in
die Höhen abdriftet wenn die Shouts dann wieder voll einschlagen. Einen
Moment des Durchatmens bietet dann aber der melodiöse Life Cycles,
der die Feuerzeuge in die Höhe schnellen wird, ohne dabei zu theatralisch
zu wirken. Zum Ende hin wird dann noch einmal alles aufgefahren, was
die Band schon vorher zum Besten gegeben hat: Sie sind laut, sie sind
hart und jeder einzelne Musiker weiß sein Instrument zu beherrschen.
So kracht es auf der Zielgeraden nochmal so ziemlich durch die Boxen
um dann mit What Is Left zu einem schnellen und erhebenden Ende
zu kommen. Repeat? Aber sowas von!
Mit ihrem zweiten Album Enigmatic Smile übertreffen sich die Jungs
aus Sachen-Anhalt nochmal um ein ganzes Stück. So ist es auch keine
große Überraschung, dass sie bisher Festivals wie das Vainstream
Rockfest und das Summer Breeze ordentlich beschallen durften
und sich auch internationale Bands wie Silverstein, Blessthefall
und Eskimo Callboy sich die deutsche Band als Support unter den
Nagel gerissen haben. Der neue Longplayer hat alles zu bieten, was man
sich in der Post-Hardcore-Szene wünscht, von Melodien über geordneten
Krach bis hin zu träumerischen Parts, die einfach ins Ohr gehen. Einen
wirklichen Tiefpunkt gibt es hier nicht zu finden, dafür jagt ein
Highlight das nächste und so kann ich ohne Bedenken sagen, holt euch
diese CD und schließt Annisokay in das nach Rock lechzende Herz.
Geiles Teil!
Anspieltipps:
Carry Me Away
Traveler
What Is Left
Tracklist
01 Carry Me Away
02 Naked City
03 Snowblind
04 Panic Attack
05 Wolves In The Walls
06 Fragile Line
07 Traveler
08 Life Cycles
09 Fame
10 Autumn Light
11 What Is Left
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Veröffentlichung:20.03.2015
Stil: Post-Hardcore
Label: Long Branch Records
Website: www.annisokay.com/
Facebook: www.facebook.com/annisokay
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