Die Erde hat schon so einige Kriege gesehen und wir leben nunmal in einer Zeit, in
der das nie wieder aufhören wird. Seit Jahrhunderten stellen sich die Menschen dazu
diverse Fragen. Wieso geht man freiwillig in den Krieg? Kann man es mit
sich selbst verantworten auf andere zu schießen und sie zu töten? Ist der Soldat
einfach nur eine ausgebildete Kampfmaschine, die alles niedermetzelt ohne
Rücksicht auf Verluste?
Johannes Clair, 27 Jahre alt, ist bereits Kriegsveteran, hat 2010 sieben Monate in
Afghanistan gekämpft, in einem Krieg, der nun schon zehn Jahre andauert. In seinem
Buch Vier Tage im November, das gleichzeitig sein Debut ist, beschreibt der
junge Mann die Zeit in dem fremden Land und versucht ein paar der oben genannten
Fragen zu beantworten. Allerdings nicht ohne jeden Leser ins Grübeln zu bringen.
Eigentlich beginnt die Geschichte um den Soldaten Joe sehr schön. Er macht mit seinen
Freunden Muli, Nossi, Mica, Hardy, TJ, Johnny, Kruschka, Simbo, Wizo, Dolli, Butch und
Russo einen Ausflug nach Afghanistan für ein paar Monate um dort Neues zu erleben.
Aber ganz so leicht ist es nunmal nicht.
Johannes und seine Jungs sind Fallschirmjäger und er bekniet seinen Chef förmlich,
dass er mit in den Einsatz darf aber nicht etwa um die Erfahrung machen zu können,
jemanden zu töten. Der Gedanke an den Auslandseinsatz entsteht durch seine Zeit
als Ausbilder.
Aber etwas nagte an mir. Ich sagte den jungen Männern und Frauen immer, wer sich
für den Dienst in den Streitkräften entscheidet, hat sich freiwillig einen Beruf
ausgesucht, der anders ist, als alle anderen. Ich hob hervor, dass es ein Unterschied
zu allen anderen Berufen ist, wenn man als Soldat einen Eid auf den Staat leistet.
[...] Ein Schwur, der von dir verlangt, der Bundesrepublik Deutschland treu zu
dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.
[...] Ich sagte den Rekruten, dass Treue bedeutete, zu seinem Schwur zu stehen,
auch wenn es unbequem war. Und das man tapfer handelte [...] obwohl dabei die
Gesundheit oder das Leben auf dem Spiel stand. Aber im Grunde wusste ich nicht, was
es wirklich bedeutete, diesen Eid zu erfüllen.
Und genau hier startet Johannes "Joe" Clair seinen Bericht. Während im ersten Kapitel
Auf dem Wall noch alles im Präsenz geschrieben ist und eher als Epilog dient
um den Leser in die kommenden packenden Geschichten einzuweihen, wurde der Rest von
Vier Tage im November in der Vergangenheitsform geschrieben und die Worte
scheinen förmlich aus der direkten Erinnerung des jungen Soldaten zu sprudeln.
Der Anfang zieht sich zunächst etwas, das muss ich zugeben, aber jetzt im Nachhinein
sind die vielen kleinen Einzelheiten und jede kleine Gefühlsregung sehr wichtig um
die Entwicklung von Joe während des Einsatzes besser zu verstehen und auch
nachvollziehen zu können. So darf man anfangs viel über das verkommene Leben weit
weg von Deutschland erfahren und man wird sofort eingeführt in die relativ miesen
Unterkünfte, in denen der Trupp gezwungen ist zu leben. Und das alles unter dem
Schatten eines Hinterhaltes, der kurz vor der Ankunft der neuen Einheit passierte,
in der drei Kameraden starben und die immer wieder während des gesamten Buches durch
den Karfreitag ins Gedächtnis gerufen werden.
Direkt am dritten Tag geht Johannes´ Einheit, der Golf 1 Zug, auf eine Fußpatrouille
und wird dort das erste Mal mit den schwierigen Verhältnissen in dem fremden Land
konfrontiert. Vor Allem die ungewohnte Hitze und die vorgeschriebene lange
und schwere Ausrüstung stellt direkt zu Anfang ein Problem dar.
Nur die Hitze ist damit viel schwerer zu ertragen, dachte ich. Weil mir der Schweiß
in dünnen Bahnen die Brillengläser meiner Schutzbrille hinunterlief, nahm ich sie ab
und steckte sie in eine Schlaufe meiner Weste. Ich fühlte mich wie ein triefender,
fetter Schmalzkringel, der gerade frittiert worden war. So etwas hatte ich noch nie
zuvor erlebt.
Doch die anderen Wetterverhältnisse sind eines der kleineren Probleme der Truppe, wie
man sich bei einem Einsatz im Krieg sicher vorstellen kann. Doch auch wenn der Alltag
der jungen Männer von Tod und Zerstörung geprägt ist, kommen sie damit zurecht, so
wie es ihnen beigebracht wurde. So kommt es dazu, dass Johannes bei den Fußpatrouillen
sichtlichen Spaß daran hat, ganz vorne zu gehen, immer als Erster bei den Geschehnissen
zu sein und sich an der Schhönheit des Landes zu laben. Er setzt sich
außerdem viel mit den Sprachvermittlern zusammen und lässt sich Sätze beibringen,
wie "Keine Angst" und "Wir sind Freunde" um selbst auch etwas in den kleinen Dörfern
bewirken zu können.
Leider handelt Vier Tage im November nicht nur von der schönen Zeit im
Feldlager, sondern eben auch von den Einsätzen des Zuges. Von dem Aufspüren und
Eindämmen von Bomben über Präsenz zeigen in der Bevölkerung hat der Golf 1 Zug
genügend zu tun und setzt den Soldaten nach und nach zu, auch wenn die ersten Tage
relativ ruhig verlaufen und sich allgemeines Enttäuschen breit macht, dass eben keine
Action passiert. Klingt makaber, aber wenn man monatelang auf Etwas vorbereitet wird
und dann nicht zum Zug kommt, ist das schon nachvollziehbar.
Anfangs schreibt Johannes noch euphorisch über die berauschende Wirkung des Kampfes:
Wieder ergriff mich diese großartige Erregung, ein unbeschreiblich positives
Gefühl. Ähnlich wie beim Fallschirmspringen war ich voller Adrenalin. Aber die
Kehrseite, die Angst abzustürzen, fehlte völlig. Wir waren in die Luft gesprengt
worden und hatten überlebt.
Doch je länger er sich in Afghanistan aufhält, desto mehr leidet er darunter:
Ich konnte nicht aufstehen, schaffte es noch nicht einmal, ihm zuzurufen. Ich
fühlte mich beschissen. Hitze und Kälte stiegen abwechselnd in mir hoch, mir wurde
schlecht.
Letztendlich bezieht sich der Titel des Buches auf einen ganz besonderen Einsatz namens "Operation
Halmazag", was soviel wie Blitz heißt und der eben im November stattfand. Hier geht
es um die Einnahme eines Gebietes, das immer wieder aufgegeben werden musste und das
die Soldaten durch die enorme Belastung durch dir Hölle und wieder zurückgehen
lässt. Aber ich will nicht zuviel verraten.
So beschreibt Vier Tage im November auf eindrucksvolle und möglicherweise
einzigartige Weise, wie es den Soldaten im Einsatz ergeht. Ein wichtiges Thema hierbei
sind auch die Angehörigen. Johannes beschreibt vor Allem den Kontakt zu seiner
Freundin, der mit jedem Absatz bitterer und trauriger wird.
Johannes Clair versucht mit seinem Buch "eine Brücke [zu] schlagen, zwischen den
Bürgern, die dienen und den Bürgern, die daheim bleiben". Und das ist ihm sehr
gut gelungen. Neben den vielen mitreißenden Geschichten, zeigt der Soldat immer
wieder wahre Gefühle und schreckt weder vor der Beschreibung von Angst, Todeslust
noch Spaß und Heiterkeit zurück, denn so ist es eben passiert. Auf den mittleren Seiten
des 411-Seiters befinden sich diverse Farbfotos von Johannes, den Fahrzeugen und
seinen Mitstreitern. Alleine dadurch gewinnt das Buch noch mehr an Hand und Fuß, da
man nicht wie bei einem Roman sich die Figuren selber gestalten kann, sondern den
realen Menschen hinter der Geschichte vor sich hat. Dieser Bericht
wird mehr Verständnis bei den Menschen schaffen, da der Soldat hier
eben nicht als die Killermaschine dargestellt wird sondern als den zwar starken
aber zerbrechlichen Menschen hinter der tarnfarbenen Ausrüstung. Mit Vier Tage im
November bringt Johannes Clair uns einen verstörenden, dennoch schönen und vor
Allem ehrlichen Einblick in die Welt des Soldaten in Afghanistan. Ein Buch, das ich
absolut empfehlen kann! Also ab in den Laden, ab zu Amazon, besorgt euch das Teil!
Veröffentlicht: 26.10.2012
Verlag: Ullstein
Umfang: 411 Seiten
Preis: 18,99 Euro (Taschenbuch)
ISBN: 978-3-430-20138-4
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