Ein Veto (lateinisch veto „ich verbiete“) ist das Einlegen eines Einspruches,
das innerhalb eines formell definierten Rahmens geschieht und damit
Entscheidungen aufschieben oder ganz blockieren kann. Jedenfalls sagt das
Wikipedia. Die vierköpfige Band Scofferlane macht daraus ihre ganz
eigene Definition. Mit ihrem zweiten Studioalbum Veto scheinen sie
gegen jegliche gewohnte Vorgehensweisen Einspruch einzulegen und einfach ihren
eigenen Sound komplett dem Hörer entgegen zu schmettern. Das drückt sich auch auf dem Albumcover aus, das bis auf ein paar lila Farbkleckse nichts zeigt. Interessanter erster Eindruck.
Gegründet 2008, dezimiert von Sextett auf Quartett 2011, auf dem Vormarsch 2012.
Nicht gerade imposant startet Veto mit dem Opener She Fell, der
sich zunächst mit dem wirklich eindringlichen Gesang von Frontman Matt, aka Stuart
Stumpman, und kleinen Einspielern befasst. Als dann zur Mitte scheinbar die Platte
hängt und man nur noch mit einem erschütternden Lärm konfrontiert wird, der auch
nachdem das jazzige Schlagzeug einsetzt anhält, wird schnell klar, dass hier
etwas sehr Echtes geschaffen wurde.
Ja, ich sagte oben jazzig. Auch im weiteren Verlauf tauchen immer wieder Genre-
untypische Elemente auf, wie direkt im nächsten What Do You Propose. Die
vermeintliche groovige Bridge entpuppt sich zwischen den atmosphärischen Strophen
und dem tragenden Gesang als kleiner Rock´n´Roll-Einspieler der auch so von Matt
kommentiert wird. Aus dem melancholisch-euphorischen (ja, ich wusste auch nicht,
dass so etwas möglich ist) Gesang wird ein lockeres Beat-Mitsingen. Großartig!
Und weiter geht es mit Johnny Cash - an den erinnert jedenfalls I
Awoke. Stimmlich wie auch musikalisch wird hier zum Alternative Country
übergesiedelt. Auch wenn immer wieder andere Stile angeschnitten werden, so
kann man aber die Bezeichnung Goth-Rock nicht verleugnen und auch das post-
kommt ganz klar zur Geltung.
Immer wieder nimmt der Bass seine dominant verspielte Position ein und unterstützt
die schleichende Gitarre mit Druck. Während Matt, der sich stimmlich irgendwo
zwischen Paul Murphy, Johnny Cash und Jim Morrison auf und ab bewegt, sein Organ
in Höhen und Tiefen auf die Mucke presst. Stimmgewalt hoch zehn! Aber vor Allem
der abwechslungsreiche Einsatz ist hier zu würdigen. Während an der einen Stelle
noch auf tiefgehende Lyrics gesetzt werden, wie in Veto wird des Weiteren
nur noch mitgejault, sogar über ellenlange Passagen, wie bei Single Fingers.
Die Platte umfasst vierzehn Songs und jeder kommt auf seine eigene, immer wieder
überraschende Art und Weise daher. Wer vermutet schon unter der Bezeichnung
Goth-Rock plötzlich sehr afrikanisch klingende Percussions, die sich dann in
hallendem, fast flüsternden Gesang auflösen und Platz für den Bass machen,
der bei Rubber Arms eindeutig der Motor des Ganzen ist? So schwer und
leise dieser Song auch rüberkommt, bei So Pretty darf dann wieder
aufgeatmet und mitgewippt werden. Super grooviges und rockiges Teil, die Gitarren
zerren den ganzen Weltschmerz auseinander und für einen Moment ist die Welt
wieder richtig schön. Das merkt man auch wieder am Gesang, der gefühlte fünf
Oktaven umfasst - in einem Song!
Aber diese Moment soll nicht von Dauer sein, denn schön tragisch geht es weiter
mit Home, der zwar vom Druck her dem Vorgänger in nichts nachsteht aber
die Stimmung wieder in Richtung Düsternis wandelt. Aber eine schöne Düsternis,
die dazu führt, dass man die Augen nach dem Schließen auch wieder öffnen möchte.
Allerdings fragt man sich, ob sich in der Bridge eine Dame eingeschmuggelt hat,
oder ob sich der Frontman als Eunuch verkaufen könnte. Sehr sehr verwirrend -
aber auf eine überraschende Art und Weise, die auch noch Spaß macht!
Wer auf guten, erdigen Post-Punk steht, der darf hier sofort zulangen, muss aber
auch damit rechnen, mit neuen Elementen konfrontiert zu werden. Matt (Gesang),
Konstantin K. (Gitarre), Anton C. (Bass) und Senya K. (Schlagzeug) wissen genau,
was sie tun, auch wenn man das als Hörer manchmal nicht genau weiß. Mutig und
experimentell gehen die Moskauer Jungs zur Sache und bieten ein kunstvolles
Gesamtwerk voller plötzlicher Überraschungen, kontrollierter Entgleisungen und
hochwertiger Musik. Für Anhänger der eher fetzigen Musik, ist Veto
wahrscheinlich nicht ganz die richtige Wahl, aber für einen Ausflug in die bunte
Welt aus Scofferlanes Köpfen ist Veto ein klasse Album. Vor Allem
weiß man manchmal nicht genau, ob diese Ideen nur von Genialität leben oder sich
langsam der Wahnsinn aus den kalten Tagen in Russland eingeschlichen hat. Ist
auf jeden Fall sehr empfehlenswert, da ein weites Spektrum bedient wird und
eigentlich für (fast) jeden was dabei ist!
Anspieltipps:
What Do I Propose
I Awoke
So Pretty
Trackliste
01. She Fell
02. What Do You Propose
03. I Awoke
04. Veto
05. Single Finger
06. On Predators
07. Rubber Arms
08. So Pretty
09. Home
10. Ode
11. Last Chance Rope
12. Harish
13. All Because Of Us
14. La Nuit
|
Veröffentlichung: 17.02.2012
Stil: Post-Punk / Goth-Rock
Label: Danse Macabre Records,
Website: http://www.scofferlane.com/
MySpace: http://www.myspace.com/scofferlane
|
![Cover](bildanzeige.php?picture_id=1914)
|