Es gibt Menschen für die "Szene" mehr ist als nur ein Schlagwort, "Kunst" mehr als eine Metapher für einen abstrakten Weg, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. David A. Line ist solch eine Seele. Verloren? Ich wäre vermessen, das zu behaupten. Aber vielseitig, das ist mit Sicherheit ein passendes Attribut. Egal ob als Musiker (Untoten, Soko Friedhof) Poet und Schriftsteller oder als treibende Kraft im Hintergrund bei zahlreichen anderen Projekten, irgendwo hat der gute Mann immer seine Finger im Spiel, irgendetwas treibt ihn stets um. Und doch hat das jüngste "Baby" von David sicher einige überrascht. Sein neues Songbook Seensucht ist sicher vieles, aber nicht unbedingt das, was man von einem so sehr mit der schwarzen Szene verwobenen Künstler erwartet hätte.
Aber warum eigentlich nicht? Warum sollte der Kopf der Soko Friedhof nicht seine zarte, nachdenkliche Seite zeigen? Warum sollte dieser polarisierende und stets aufs neue überraschende David A. Line nicht einfach mal als Singer/Songwriter aktiv werden, um so erneut für Verwirrung zu sorgen? Schließlich sind solche aufrüttelnden Mittel diejenigen, welche die Audienz noch am ehesten zur Reflektion verleiten.
Seensucht ist dabei vielleicht sogar das direkteste, unverblümteste Werk, welches David bisher geschaffen hat. Mit Minimalinstrumentierung und (selbst)kritischen Texten bewaffnet geht er auf die Jagd, stets den Zuhörer im Visier. Doch ob man sich einfangen lässt, überlässt er jedem selbst. Man muss ihm lauschen, um zu verstehen, man muss die Musik annehmen, um sie zu verinnerlichen.
Dabei hat man manchmal gar das Gefühl, dass David A. Line sich in diesem Fall vor allem von szenefremden Künstlern hat inspirieren lassen. Der müde Tod oder auch Weisses Rauschen zum Beispiel erinnern an die tiefsinnigeren Stücke der unvergessenen Luna Luna, Der Traum ist vorbei wirkt wie eine zarte, schmeichelnde Fusion zwischen Ton Steine Scherben und Selig... Okay, Assoziationen wird hier vielleicht jeder andere haben, und doch kann man sich wohl vorstellen wohin das Album sich musikalisch bewegt.
Seensucht überrascht wahrlich - im positiven Sinne. Denn David A. Line unterstreicht endgültig, dass er sich in keine Korsetts legen lässt, sondern viel lieber alles hinterfragt; eine Eigenschaft die vielen Menschen leider abgängig ist. Wahrscheinlich wird das Album als Geheimtipp vor allem Fans und Neugierige erreichen, aber alleine dafür war die Arbeit daran sicher schon lohnenswert.
Trackliste:
01. Ranzentier
02. Der müde Tod
03. Bist wie ein Vogel (so leicht)
04. Die Spieluhr
05. Tanz mit dem Teufel
06. Mein tanzender Stern
07. Die Liebsten daheim
08. Weisses Rauschen
09. An Dir
10. Der Traum ist vorbei
11. Wunschdenken
12. My first Love
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Veröffentlichung: 18.02.2011
Stil: Singer/Songwriter
Label: Von Grafenwald Records
Website: www.untoten.com
MySpace: www.myspace.com/david-a.line
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