Von Heerfahrten, Glück und Glauben
Für den Leser beginnt die Geschichte um Orm Tostesson aus dem Geschlecht des Weitgreifenden kurz vor dem Ende des ersten Jahrtausends. Auch wenn Orm noch nicht erwachsen ist, so ist er doch von "hoher Gestalt" und verspricht, - auch wenn er noch recht mager ist - ein kräftiger Mann zu werden. Außerdem ist er "von klugem Verstand" und wegen seines roten Haares leicht zu erkennen.
Zusammen mit seinem älteren Bruder Odd, seiner Mutter Äsa und seinem Vater Toste lebt er auf einem Hof an der Küste von Schonen (Süd-Schweden). Wie bei den Nordmännern üblich, unternehmen sie viele Heerfahrten, um Silber und Schmuck und manchmal auch die eine oder andere Frau zu erbeuten. Und so verhält es sich auch mit dem Bauern Troste, der "obschon bei Jahren", jährlich mit einer Mannschaft ausfährt, um in Irland auf Raubzug zu gehen. Als nun der Sommer wieder einmal näher rückt, rüstet man sich wieder für eine lange Reise, auf die auch Orm das erste Mal mitfahren soll. Aber Mutter Äsa, deren "Augenstern" Orm ist, weint und sagt, dass Orm umkommen werde; "denn schon dreimal habe sie ihn im Traum blutig bei einer Schiffsbank liegen sehen, und alle wüssten, dass auf ihre Träume Verlass sei."
Daraufhin wird entschieden, dass Orm sich noch ein Jahr gedulden müsse und die Reise auch ohne ihn gelingen werde. Was zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keiner ahnt, ist das es Orm Schicksal sein soll, auf eine lange Fahrt zu gehen, und so geschieht es, dass eines Nachts - Vater und Bruder sind schon auf weiter See - eine Wikingerbande aus dem Westen an Schonens Küste an Land geht, um neue Vorräte zu beschaffen. Bei dem Versuch, Hof und Vieh zu verteidigen, wird Orm niedergeschlagen und auf eines der Schiffe verschleppt. Doch anstatt sein Leben als Gefangener zu fristen, erlangt Orm mithilfe seines Mutes uns seiner "schlauen Redensart" nicht nur die Freiheit wieder, sondern auch hohes Ansehen und lang währende Freundschaften.
In den folgenden 30 Jahren begleitet nun der Leser den Röde (d.h. roten) Orm, wie er bald auf Grund seiner auffallenden Erscheinung genannt werden wird, auf seinen spannenden Abenteuern.
Weit weg von zu Hause dient Orm dem Kalifen von Cordova, er begeht das Julfest bei König Harald Blauzahn und wechselt seinen Glauben. Er segelt mit einer "Heiligen Glocke" und gelangt durch den Einsatz von "Schelppbier" zu einem großen Schatz. Das und noch vieles mehr macht "Die Abenteuer des Röde Orm" zu einer nicht nur unterhaltsamen, sondern auch lehrreichen Lektüre. Bengtsson bedient sich nämlich in seinem Werk eines besonderen Erzählstils, indem er weder das Handeln seiner Protagonisten bewertet noch dem Leser deren Gedanken verrät. Lediglich aus den Handlungen und dem von ihnen Ausgesprochenen kann der Leser sich ein Bild über die Charaktere machen. Diese besondere Gestaltungsform ist es, die das Buch aus der Fülle üblicher historischer Romane abhebt. Mit sachkundigem Blick und zugleich köstlichem Humor gelingt es dem Autor dabei, jeder Katastrophe einen lustigen Beigeschmack zu verleihen.
Frans Bengtsson, 1894 selber in Schonen geboren, schrieb mit "Die Abenteuer des Röde Orm" seinen einzigen Roman. Ursprünglich zweibändig, erschien er 1951 erstmals als vollständige deutsche Ausgabe. Bis heute hat der Roman in Deutschland 22. Auflagen erreicht, wobei immer noch die Erstübersetzung von lsa Carlberg verwendet wird.
Jedem der dazu bereit ist, sich an eine altertümlich klingende Sprache zu wagen, und jedem, der einen Blick für das hat, was sich hinter einer Fassade aus Grobschlächtigkeit verbirgt, dem empfehle ich dieses Buch. An einem Geschichtsunterricht wie diesem wird er seine Freude haben.
Veröffentlicht: 01.07.1997
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv)
Umfang: 608 Seiten
Preis: 9,95 Euro
ISBN: 978-3423200554
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