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Terminal Choice ist eine Band, bei der ich die meisten Sachen schon immer gemocht hab, anderes halt nicht so, aber so geht es einem ja fast bei jedem Künstler. Die Rezension zum neuen Album New Born Enemies hat mich einige zeit gekostet, einfach weil der neue Stil für mich ziemlich unerwartet kam, und ich, statt vorschnell zu urteilen, lieber tagelang die gleiche CD höre.
Nun hatte ich die Möglichkeit, Chris Pohl, Sänger und Kopf dieses Musikprojektes, via Email auszufragen, und das nutzt man gerade in solchen Situationen natürlich gerne. Aber lassen wir ihn mal zu Wort kommen...
Otti:
Hallo Chris, erstmal Danke für dieses Interview.
Das neue Album New Born Enemies ist ja nun schon einige Zeit auf dem Markt. Haben sich deine Erwartungen in Bezug auf Verkauf und Resonanz erfüllt?
Chris:
Hmmm… Naja, genaue Zahlen hab ich noch nicht, aber sagen wir so, es ist schon ok. Die Resonanzen waren wie erwartet. Die, die es schon scheisse fanden, ohne es gehört zu haben, fanden das Album dann wohl echt schlecht. Andere finden es super und sagen es ist das beste Album.
Wichtig sind mir Resonanzen von Leuten, die sagen, dass sie eigentlich so ne Musik nicht mögen, unser Album aber doch gut finden. Und die Aussagen von Fans, die unseren Weg verstehen und das Album trotz des anderen Styles gut finden.
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"Ich denke, ALLES bereichert die Szene, da sie schon seit einiger Zeit auf der Stelle tritt."
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Otti:
Meine Rezension zu New Born Enemies habe ich vor wenigen Tagen fertiggestellt, und darin unter anderem den Vergleich zu Bands wie "Korn" gezogen, ein ähnlicher Sound kehrt in meinen Ohren in einigen der neuen Stücke ein. Jetzt lese ich gerade in einem jüngst von dir gegebenen Interview, daß Du den Sound von "Korn" liebst. Seh ichs richtig, daß gewisse Einflüße also vorhanden sind? Und denkst Du, daß die Orientierung an den US-Hardcore/Nu Metal/Nu Rock-Bands die deutsche Gothic-Musik durchaus bereichern könnte?
Chris:
Das ist ja fein! Hehe.. Ja, also ich mag KORN, NIN… Wenn man so was privat hört, wird der Wunsch als Musiker größer, so was auch zu machen. Und nun konnten wir es.
Ich denke, ALLES bereichert die Szene, da sie schon seit einiger Zeit auf der Stelle tritt. Bands kopieren sich immer mehr selbst, haben Angst, dass Entwicklung Verkäufe kostet. Wir wollten den Weg so gehen und waren konsequent. Ein 2. Menschenbrecher Album wäre sicherer aber nicht ehrlich gewesen.
An die US Kapellen reichen wir noch nicht aber wenn wir so was toll finden, warum nicht Ähnliches selber machen?
Otti:
Allgemein ist New Born Enemies wesentlich rocklastiger, als die bisherigen Sachen von "Terminal Choice". Was hat dich bewogen, den Stil komplett neu zu definieren, und wie haben die Fans darauf reagiert?
Chris:
Nun, es war ja eine schleichende Entwicklung, wie man an den letzten Releases sehen konnte. Wir haben das ja nicht von heute auf morgen gemacht.
Wir wollten schon lange so ein Album machen, aber uns fehlten die Möglichkeiten und die Leute. Nun hatten wir alles am Start und daher konnten wir unseren Traum verwirklichen.
Die Fans…Wie gesagt…Gemischt! Aber mal ehrlich, was haben sie erwartet? Einen Rückschritt zur Electromusik? Klar, dass hätte uns einige 1000 Verkäufe mehr gebracht aber das ist nicht mein Stil. Wir wollten ein Album machen, an das sich die Fans vielleicht gewöhnen müssen ,aber das ehrlich ist und zeigt, was wir wollen und können. Wir machen, was uns gefällt, und wollen unsere Fans überzeugen, dass es gut ist. Und wie gesagt, es läuft ja auch nicht schlecht…
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Otti:
Erhoffst Du dir durch diese Entwicklung vielleicht auch neue Fans aus den Bereichen Rock und Metal? Mir drängt sich da sehr schnell der Vergleich zu "Apoptygma Berzerk" auf, die jahrelang gute Elektro-Musik gemacht haben, und dann mit einem ganz und gar untypischen Gitarrensong die Charts erstürmt haben.
Chris:
Sicher! Ich bin immer jemand, der gerne über den Tellerrand schaut. "Apoptygma" haben zwar einen krasseren Wechsel gemacht, aber für ihren Mut verdienen sie Respekt. Weißt du, ich mache eben Musik für mich und wem sie gefällt..cool..Aber ich möchte keine bestimmte Klientel bedienen! Sicher denken wir an die Fans, aber wer Fan ist geht eh mit uns. Ich denke, man sollte uns auch ein wenig Respekt zollen, dass wir so konsequent sind und uns eben nicht dem Kommerz also dem sicheren Weg hingegeben haben.
Otti:
Insgesamt ist der Sound von New Born Enemies bei weitem nicht so düster und morbide angehaucht, wie die vergangenen Stücke, und textlich bewegst Du dich zwischen der Huldigung der dunklen Seite (z.B. Devil Daddy) und dem Drang niemals aufzugeben in "The Sickness". Inwieweit bist Du in deiner Entwicklung von Musik und deinem persönlichen Leben die letzten Jahre gereift?
Chris:
Naja…sicher ein ganzes Stück. Texte mache ich nur über Themen, die mich auch interessieren. Wenn mich 10 x Liebe interessiert gibt es 10 Liebestexte.
Nur um vielleicht „anspruchsvolle" Texte zu machen, würde ich nicht über was singen, was mich nicht interessiert… Das machen genug andere. Auch Texte schreibe ich für mich, nicht für irgendeinen Kritiker.
Momentan sind eben die splattermäßigen Texte in den Hintergrund gerückt. Im Moment…
Aber eine Platte spiegelt immer die momentane Lage des Interpreten wieder…Und New Born Enemies, das bin ich 2006.
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Otti:
"Golden Days", "Don´t Go", "Nothing" und selbst irgendwie "Little seventeen" handeln thematisch von einer vergangenen Liebe, wenn ich das richtig sehe. Gleichzeitig bist Du ein Mensch der offen zu seinen Groupie-Geschichten steht und diese auch derzeit über eine feste Beziehung stellt. Welcher Zwiespalt schwelt da in dir, und was ist in der Vergangenheit passiert, das deine Gefühle dermaßen durcheinandergeworfen hat? Man merkt diesen Songs nämlich an, daß sie aus dem Herzen kommen.
Chris:
Danke…Ja…Es ist immer der Zwiespalt in mir. Klar, wechselnde Frauen, die man kaum kennt oder länger als eine Nacht sieht, das geht schon mal...
Trotz allem sehne ich mich danach wieder richtige Liebe zu empfinden... Ich habe viel erreicht, viel gesehen, (sogar Tokio Hotel auf einer Party), aber das Gefühl der ehrlichen Liebe, das ist momentan ganz schön weit weg…
„Little Seventeen" handelt ja auch so ein wenig von Groupies. Man wird verführt, aber sie sind zu jung… es bringt nix. Aber geil ist es trotzdem!
Sicher haben mich auch vergangene Erlebnsse zu diesen Texten bewogen. Und als Musiker kann man das ja auch gut verarbeiten...
Otti:
Was ich auch etwas vermisst habe sind zum Beispiel Samples. Denkst Du, daß dieses Element der elektronischen Musik vorbehalten ist, oder gab es einfach keine passenden Anlässe, Samples einzusetzen?
Chris:
Na na na.. schnell noch mal Album reintun und hören!!! Wir haben Samples benutzt! VIELE! Nur sehr subtil eingesetzt…Bei „Call me", „Crack up" „I want to know" „devil daddy"...
Nur eben nicht so plakativ. Sie sind richtig in den Song eingebunden, als ob sie dazu gehören, und nicht nur zum Selbstzweck eingesetzt. Gerade das ist etwas, was ich in unseren neuen Style gerettet habe. Samples benutzen..hehe..
(Anmerkung von Otti:
Da hört man das Album ca 20-30 mal rauf und runter und bemerkt die Samples nicht... bzw hält sie für Original-Texte von Chris... Peinlich für mich, und Kompliment an Chris für die gute Verarbeitung. ;))
Otti:
In Kürze geht "Terminal Choice" wieder auf Tour. Dabei ist mir aufgefallen, daß ihr euch zu zwei Terminen quasi mit den "Crüxshadows" trefft, und euere Touren so ein wenig verbindet. Welche Verbindung habt ihr allgemein zu dieser Band? Und Wie sieht dein Verhältnis allgemein zu anderen Szenebands aus?
Chris:
Zu Crüxshadows haben wir noch kein Verhältnis. Wenn sie saufen können, wird sich das bei der Tour dann ändern…hehe.
Es gibt einige Bands, mit denen ich mich gut versteh.Manche mehr, manche weniger.. ASP, Unheilig, Within Temptation, Cephalgy... Ach es gibt viele, die echt cool sind. Aber mindestens doppelt so viele die scheisse sind. Es herrscht noch mmer viel Missgunst zwischen den Bands, und gerade wenn man erfolgreich ist wird man oft angemacht, oder eben als was weiss ich gehandelt… Ich versuche immer mit allen gut klarzukommen.Wenn sie menschlich ok sind. Verkäufe zählen da nicht...
Otti:
Freust Du dich auf die Tour? Oder gehören Live.Auftritte schon zum routinierten Alltag bei dir?
Chris:
Aber hallo! Endlich ne Terminal Choice Tour!!! Und wie wir uns freuen! Unsere letzte liegt über 2 Jahre zurück... Das ist immer ein Riesenspass und wird nie zur Routine. Wenn es so wäre würde ich aufhören! Es ist wie Abenteuer-Urlaub. Anstrengend, nervig, aber doch alles cool... Wenn man dann auf der Bühne steht...
Otti:
Wenn man den Namen "Chris Pohl" erwähnt, gehen die Meinungen auseinander wie bei kaum einem anderen Musiker. Die einen vergöttern Dich und Deine Musik absolut, die anderen halten dich für eine der arrogantesten und abgehobensten Persönlichkeiten der deutschen Gothic-Szene. Wie würdest Du dich selbst einschätzen, und was würdest Du deinen Kritikern darauf entgegnen?
Chris:
Ach ja... Arrogant und abgehoben... Das sagen nur die Dummen. Denn wer mich kennt, weiss, dass es nicht so ist. Ich halte mich für einen der wenigen Künstler, die noch 100 % Mensch geblieben sind! ICH weiss, dass ich ohne Fans NICHTS wäre... Die meisten die mich doof finden, kennen mich eben nicht. Es ist leicht über jemanden zu urteilen, den man nicht kennt, aber was solls. Lieber so als to be everybodies darling...
Selbst wenn man die Musik eines Künstlers nicht mag, kann er ja nett sein. Da kenn ich einige... Aber leider ist es oft so, dass man, wenn man eben mal so über 30.000 Platten verkauft, nicht besonders beliebt ist… Erfolg macht nicht nur sexy, manchmal eben auch unbeliebt..:-)
Otti:
In dem Zusammenhang könnte man auch "Rockstar" schon fast als selbstironisch sehen, aber auch als Ausdruck dafür, daß Du im Gegensatz zu anderen dennoch versuchst auf dem Teppich zu bleiben. Wie siehst Du das?
Chris:
You got it! Genau so ist es! Rockstar basiert auf unserem Treffen mit Marilyn Manson, wie er seine Fans behandelt... Konzert abbrechen, warten lassen... Das ist uncool! Einfach nur ständig den Rockstar raushängen lassen... Neee, das kommt nicht gut. Daher ist dieser Song ihm gewidmet.
Otti:
Was sind für dich die entscheidenden Gründe, Musik zu machen, und welche Dinge treiben dich, am Ball zu bleiben?
Chris:
Ich kann nix anderes!!! Neee, naja... Ich weiss nicht. Es ist mir ein Bedürfnis Musik zu machen! Das Leben inspiriert mich so sehr, dass ich meine Erlebnisse kreativ umsetzten muss, Malen kann ich nicht... Also Musik..
Otti:
Wenn Du so zurückdenkst, was war das schönste Erlebnis in deiner Musiker-Karriere? Und was das unangenehmste?
Chris:
Hmmm... das ist immer schwer zu sagen... Das Schönste ist, dass es meine Projekte nach all den Jahren noch gibt! Das zeigt, dass es richtig ist, was ich mache.
Ein einzelnes schönes Erlebnis gibt es da nicht. Und ein Schlechtes... Naja, dass man als Künstler wirtschaftlich oft nur wie eine Ware behandelt wird, und dass es so viele Dinge gibt, die einige Instanzen über die Musik als solches stellen, ist scheisse... Unangenehm ist es, sich mit Anwälten, Labels oder Publishern rumschlagen zu müssen... Das kann ich nur so global beantworten.
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"Es ist leicht über jemanden zu urteilen, den man nicht kennt."
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Otti:
Welche Bücher, Lieder und Fernsehserien haben deine Kindheit am meisten geprägt?
Chris:
Lieder... Na ja, die 80er allgemein. Ich bin ein Kinder der 80er... NDW, Wave... all das.
Bücher... Um ehrlich zu sein, hauptsächlich, und echt auch bis heute, „Walt Disneys Lustige Taschenbücher". Ich hab sie alle!!! Wertvolle Literatur... "Catcher in the rye" hat mich sehr berührt. Und ein wenig auch die Bibel, ich glaube ich bin auf Seite 15... hehe.
Fernsehserien: "Ein Colt für alle Fälle", „Sesamstrasse", „Rappelkiste"...
Otti:
Und zu guter letzt die Frage: An wen hast Du gedacht, als Du "Animal" geschrieben hast?
Chris:
Ha ha, DAS werde ich wohl kaum erzählen...!!!
Schade. ;)
Vielleicht erfahre ich das ja irgendwannmal bei einem gemeinsamen Bier... Vielen Dank nochmal Chris, für deine offenen Worte, die zumindest mir persönlich ein wesentlich besseres Bild von Deinem Schaffen und deiner Menschlichkeit gezeichnet haben.
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